Volle Kraft voraus: Wie Firmen ihre Mitarbeiter motivieren


"Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital" – dieser Satz ist in Geschäftsberichten oder Unternehmensbroschüren häufig zu lesen und drückt eigentlich etwas Positives aus: die Wertschätzung für die eigenen Angestellten, weil sie maßgeblich für den Unternehmenserfolg verantwortlich sind. Gerade dieses Wissen kann aber für die Belegschaft auch negative Folgen haben. Da Firmen das vorhandene Kapital möglichst effektiv einsetzen wollen, bedeutet dies auch, Mitarbeiter nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern.

 

Großteil der Arbeitnehmer leistet nur Dienst nach Vorschrift


So ist es nach Ansicht der Unternehmensberatung Gallup auch im Jahr 2011 den Führungskräften in Deutschland nicht gelungen, ihre Mitarbeiter „mitzunehmen“. 63% der Arbeitnehmer würden lediglich das Pflichtprogramm abspulen und nur 14% über eine „emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber“ [vgl. employer branding] verfügen, seien also bereit, sich freiwillig für dessen Ziele einzusetzen.

 

Die deutsche Wirtschaft könnte also (noch) erfolgreicher sein, wenn es gelingt, all die schlummernden Potenziale bei den Beschäftigten freizusetzen. Die Unternehmen suchen daher nach Mitteln, ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen anzuspornen, sie zu motivieren, sie „brennen zu lassen“ für ihren Job.

 

Angst und Begeisterung als Motivatoren


Die einen verbreiten dazu systematisch Angst vor dem Jobverlust. Minderleister werden rausgeworfen oder so lange unter Druck gesetzt, bis sie selbst kündigen. Um die sog. Low-Performer leichter zu identifizieren, erhalten die Angestellten z.B. detaillierte Arbeitsvorgaben und werden laufend kontrolliert.

 

Die andere, clevere und letztlich auch erfolgreichere Methode ist, für mehr Spaß und Begeisterung am Arbeitsplatz zu sorgen. Die Mitarbeiter erhalten (größere) Freiräume wenn es darum geht wie und (bis) wann sie Aufgaben erledigen. Und man schafft gemeinsame Erlebnisse, die das "Wir-Gefühl" stärken.

 

Tendenz zur Selbstausbeutung


Mehr Freiraum bedeutet fast immer auch größere Verantwortung und verstärkt eine evtl. bereits vorhandene Neigung zur Selbstausbeutung. Seit z.B. der IT-Konzern IBM 1999 die Stempeluhren in Deutschland abschaffte und die „Vertrauensarbeitszeit“ einführte, wuchsen die Wochenstunden der Mitarbeiter von 40 auf durchschnittlich 60. Insgesamt leisteten im Jahr 2011 rund 40 Mio. deutsche Erwerbstätige mehr als eine Mrd. unbezahlter Überstunden. Die Zahl der Burn-out-Opfer hat sich seit 2004 verneunfacht. Krankenkassen schätzen, dass bis zu 13 Mio. Arbeitnehmer davon betroffen sind. Außerdem melden sie steigende Zahlen von Menschen, die krank am Arbeitsplatz erscheinen.

 

Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben verschwimmen oder werden einseitig verschoben


Gemeinsame Events mit Kollegen finden zudem immer öfter nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch in den Pausen, abends und am Wochenende statt. Man verabredet sich z.B. in der Mittagspause zum „Blind Lunch“ (um Mitarbeiter aus anderen Abteilungen kennenzulernen), geht nach der Arbeit noch mit der Abteilung etwas essen oder trinken und besucht am Wochenende Teambuildung-Events.

 

Auch wenn diese „Angebote“ oftmals freiwillig sind, kann das Fernbleiben von derlei Aktivitäten in gewissen Kollegenkreisen wie z.B. bei Google dazu führen, dass einen die Kollegen irgendwann schräg angucken wenn man nicht regelmäßig seine Freizeit mit ihnen verbringt. Das Privatleben wird so zu einer Art Zweitjob.